1. Holzappel im Jahr 1715
  2. Damm des Herthasees
  3. Stadtplan von 1876
  4. Holzappel
  5. Bergleute unter Tage

Die Ortsgemeinde Charlottenberg

Charlottenberg, das jüngste Dorf der Esterau, wurde im Jahre 1699 als „Waldenser.Kolonie“ auf einer Anhöhe in der Nähe des damaligen Städtchens Holzappel gegründet, Es trägt den Namen seiner Stifterin , der Fürstin Elisabeth Charlotte von Nassau-Schaumburg und Gräfin von Holzappel, Die Charlottenberger Waldenser – 57 reformierte Glaubensflüchtlinge aus dem Einflussgebiet des französischen Königs Ludwig XIV. - kamen aus Fenestrelle im Chisone-Tal in den Cottischen Alpen im heutigen Norditalien (Piemont) und fanden in der Esterau eine neue Heimat.

Die Glaubensgemeinschaft der Waldenser geht zurück auf den französischen Kaufmann Petrus Waldes (1184-1214) in Lyon, der sein Vermögen an die Armen verteilte und als Laienpriester zur strengen Nachfolge Jesu im Geist der Bergpredigt  aufrief („Die Armen von Lyon“). Von der katholischen Kirche (Inquisition) verfolgt, flohen die Anhänger in die Alpentäler des von Frankreich beherrschten Piemont, wo sie ihre Gottesdienste zum Teil in versteckten Höhlenkirchen abhielten. 1532 schlossen sich die Waldenser der reformierten Kirche an. Anlass für ihre erneute Flucht gegen Ende des 17. Jahrhunderts war ihre Verfolgung unter dem französischen König Ludwig XIV. nach der Aufhebung des „Toleranz-Ediktes von Nantes“ im Jahre 1685.

Grundlage für ihre Ansiedlung der Flüchtlinge in der Esterau war eine Aufnahmeurkunde, mit der die Landesherrin  Elisabeth Charlotte jeder der zehn Familien das Bauland für ein bescheidenes Wohnhaus (einschließlich des notwendigen Bauholzes) und eine angrenzende Ackerfläche zur landwirtschaftlichen Nutzung schenkte. Zu den weiterhin zugesagten  „Privilegien“ gehörte die Befreiung von allen Real- und Personallasten (Steuern und Abgaben) für die Dauer von 10 Jahren sowie die Zuweisung und Unterhaltung eines Waldenser-Pfarrers und eines französisch sprechenden Lehrers zur Unterrichtung der Kinder. In Ermangelung eines eigenen Versammlungsraumes war es der Waldenser-Gemeinde ausdrücklichen erlaubt, ihre regelmäßigen Gottesdienste in der reformierten Johanneskirche in Holzappel zu feiern.

Ihren Lebensunterhalt bestritten die Neubürger in den ersten Jahrzehnten nahezu ausschließlich mit den kargen Erträgen ihrer kleinen Landwirtschaft.  Ab 1751 – mit der Eröffnung der „Grube Holzappel“ bei Dörnberg-Hütte – ergaben sich für die arbeitsfähigen  Männer zusätzliche Verdienstmöglichkeiten im Erzbergbau unter Tage.

Im Jahre 1766 wurde die zunächst selbstständige Glaubensgemeinschaft in die evangelische Kirchengemeinde des Nachbardorfes Dörnberg eingegliedert. Das bedeutete zugleich, dass auch die Kinder den Unterricht in der dortigen Dorfschule zu besuchen hatten. Erst gut 100 Jahre später, 1870, erhielt Charlottenberg seinen ersten eigenen Lehrer, der den Unterricht anfangs in einer Stube im Obergeschoss des damaligen Gasthauses Förger (heute: Frauenlandhaus) abhalten musste. Ein denkwürdiger Festakt für das ganze Dorf war die Einweihung eines neuen Schulhauses am 16. August 1874. Genau 90 Jahre später, im Herbst 1964,  wurde die Charlottenberger Volksschule (Grund- und Hauptschule) aufgelöst und in die Mittelpunktschule in Holzappel (Esterauschule) integriert. Seitdem dient das Gebäude als Dorfgemeinschaftshaus.

Ganz in seiner Nähe steht das Waldenser-Denkmal, das im Jahre 1899 beim 200-jährigen Dorfjubiläum zum Andenken an die Gründerin und die ersten Bewohner errichtet wurde. Die 300-Jahrfeier im August 1999 war für die Ortsgemeinde ein willkommener Anlass zur Herausgabe einer lesenswerten und äußerst informativen Schrift mit den denkwürdigen historischen Besonderheiten des jüngsten Dorfes in der Esterau.  

Überhaupt war das Waldenserfest vom 20.-22. August 1999 zur Erinnerung an die Gründung Charlottenbergs vor 300 Jahren ein Ereignis, an dem die ganze Esterau regen Anteil nahm. Das galt im Besonderen für den großen Jubiläums-Umzug vom Festsonntag, in den sich alle Dörfer der ehemaligen Grafschaft Holzappel mit der ideenreichen Darstellung einer historischen Besonderheit ihrer Ortsgeschichte einreihten.

Dazu ein Ausschnitt aus einem Bericht in der Rhein-Lahn-Zeitung vom 24.August 1999:

Charlottenberg. Nach dem außergewöhnlich gut besuchten Festabend vom Samstag stand das kleine Waldenserdorf am Sonntag bei strahlendem Sonnenschein ganz im Zeichen eines mit viel Liebe zum Detail gestalteten historischen Festzuges. Eine große Menschenmenge hatte sich in der mit Fahnen und Birkenlaub geschmückten Ortsstraße versammelt, als sich die Wagen und Fußgruppen unter den Klängen des Musikvereins Limburg in Bewegung setzten. Dem Wahrzeichen des Dorfes an der Spitze - einem Modell des Waldenser-Denkmals mit einer Trachtengruppe Charlottenberger Frauen und einem „leibhaftigen“ Waldenser-Pfarrer -  folgte „Ihre Durchlaucht, die Fürstin von Schaumburg“, in einer prächtigen zweispännigen Pferdekutsche…