Die Ortsgemeinde Langenscheid
Bereits 1298 urkundlich erwähnt, gehört Langenscheid zu den frühesten Ansiedlungen in der Esterau. Das beziehungsreiche Wappen an der Außenfassade des neuen Dorfgemeinschaftshauses erklärt, wie der Ort auf der Lahnhöhe oberhalb von Balduinstein und Geilnau zu seinem Namen kam: Langenscheid liegt auf einer „langen (Wasser-) Scheide“, dem Bergrücken zwischen dem Daubach zur Linken und dem Schwarbach zur Rechten, die sich beide – von Norden kommend – in die Lahn ergießen. Das Dorf selbst wird im Wappenfeld durch die einstige „Antonius-Kapelle“ symbolisiert, die heutige evangelische Pfarrkirche, deren Existenz sich bis zum Jahre 1345 zurück verfolgen lässt. –
Vor 350 bis 400 Jahren, in der Zeit des 30-Jährigen Krieges (1618-1648), als Graf Peter Melander von Holzappel die Esterau erwarb und zu einer freien, reichsunmittelbaren Grafschaft im „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“ erhob, war Langenscheid größer als Esten, das erst ab 1688 mit der Stadterhebung unter seinem neuen Namen „Holzappel“ zunehmend an Bedeutung gewann. Das mag auch der Grund für die mehrfach geäußerte Absicht Melanders gewesen sein, sich nach seinem ruhelosen Soldatenleben als Feldherr des „Großen Krieges in Deutschland“ gerade hier, in dem Dorf „auf der langen Scheide“ seinen Alterssitz in Gestalt eines standesgemäßen Schlosses zu errichten.
Die Zukunftspläne des Grafen von Holzappel wurden von seinem Soldatentod am 17.Mai 1648 in der Schlacht bei Zusmarshausen (bei Augsburg) und von seiner Witwe, der Gräfin Agnes von Holzappel, durchkreuzt: Der Leichnam des kaiserlichen Feldmarschalls kam nicht nach Langenscheid, sondern in die eigens angelegte „Melander-Gruft“ in der evangelischen Johanneskirche in Holzappel, und auch der geplante Schlossbau wurde nie realisiert.
Heute können die Langenscheider mit der entgangenen Ehre, um ein Haar „Hauptstadt der Esterau“ geworden zu sein, gut leben. Mit rund 900 Hektar Fläche – von Balduinstein an der Lahn bis hinauf nach Hirschberg – davon 500 Hektar Wald, nennen sie noch immer die weitaus größte Gemarkung in der Esterau ihr Eigen. Damit haben sie zumindest den Holzappelern, die sich - nach der Einschätzung ihrer Nachbarn - angesichts ihres verschwindend geringen Waldbesitzes nicht einmal einen eigenen Kuckuck leisten können, einiges voraus. –
Den nassauischen Heimat- und Mundart-Dichter Rudolf Dietz, dessen Sohn Hans von 1928 bis 1939 als Pfarrer in Langenscheid wirkte, hat die historische Marginalie zur Geschichte der Esterau zu einem zu Herzen gehenden Gedicht über die „Kirche in Langenscheid“ beflügelt: „Zu diesem Kirchlein gern ich wander’, das Sankt Antonius geweiht. Hier wollte ruh’n der Graf Melander nach tapfer’m Kampf in alter Zeit. Mit seiner Gräfin wollt’ gemeinsam er bau’n ein Schloss in Herrlichkeit. Vielleicht war’s besser, dass blieb einsam mein friedlich Dörfchen Langenscheid. Wer weiß, ob längst nicht läg in Trümmern das Schloss, das Kirchlein und die Gruft! So liegt mein Dorf im Abendschimmern noch heute da im Maienduft.“ –
Ein bemerkenswertes Kapitel in der Historie des Dorfes „auf der langen Scheide“ schrieb der Weinbau an den Lahn- und Daubach-Hängen, der bis in das 14.Jahrhundert nachgewiesen ist. Nach der Überlieferung soll der sprichwörtlich berühmte „Langenscheider Rote“ aus der Weinlage „Pfaffenberg“ im Jahre 1815 bei der Heirat der Fürstin Hermine von Anhalt-Schaumburg mit dem österreichischen Thronfolger, Erzherzog Joseph, als begehrter Tischwein gedient haben. Erzherzog Joseph war der Vater von Erzherzog Stephan, der als Standesherr auf Schaumburg von 1847 bis 1867 die besondere Zuneigung seiner „Landeskinder“ genoss.
Mit der Obermühle („Gülle-Mühle“), der Altendiezer Ölmühle, der Mittel- und der Untermühle lieferte der bescheidene Daubach am Ostrand der Gemarkung Langenscheid einst die Energie zum Betrieb von vier Getreidemühlen. Die Mühlen hatten zu ihrer Zeit in der weitgehend von der Landwirtschaft geprägten Region eine erhebliche Bedeutung. für die Versorgung der Bevölkerung.
Die bekannteste Langenscheider Mühle war die „Gülle-Mühle“, ab 1775 in der Müller-Dynastie der Familie Güll und zuletzt – bis 1975 – als Gaststätte ein beliebtes Wanderziel und Ausflugslokal. Heute sind die Gebäude im Besitz eines „Vereins für Sozialwesen und Ökologie“ und dienen als Ferienheim.