Die Fürstin Elisabeth von Nassau-Schaumburg
Zu den herausragenden Persönlichkeiten in der Geschichte der Esterau gehört die Tochter des Grafen Peter Melander von Holzappel, Fürstin Elisabeth Charlotte von Nassau-Schaumburg (1640-1707).
Elisabeth Charlotte, mit dem Fürsten Adolf von Nassau-Dillenburg vermählt, war mit dem Ableben ihrer Mutter, Gräfin Agnes von Holzappel im Jahre 1656 Alleinerbin der Grafschaft Holzappel und der Herrschaft Schaumburg. Nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahre 1676 regierte die Herrin auf Schloss Schaumburg ihr überschaubares Ländchen an der unteren Lahn als „Fürstliche Frau Wittib zu Nassau-Schaumburg“ mit Umsicht, Tatkraft und staatsmännischer Klugheit.
Als bleibendes Verdienst des Regierungshandelns der evangelisch-reformierten Landesherrin ist die Ansiedlung bedrohter Glaubensflüchtlinge aus Frankreich in den Jahren 1687 bis 1699 in die bewegte Geschichte der Esterau eingegangen. Bei den aus ihrer Heimat vertriebenen Flüchtlingen handelte es sich um Waldenser und Wallonen, die ab 1685 unter dem französischen König Ludwig XIV. wegen ihres protestantischen Glaubensbekenntnisses blutigen Verfolgungen ausgesetzt waren. Die Asylsuchenden wurden auf die Dörfer der Esterau verteilt und notdürftig untergebracht.
Im Jahre 1699 gründete Elisabeth Charlotte für eine weitere 57-köpfige Waldenser-Gruppe - zehn Familien aus den französisch beherrschten Alpentälern von Piemont im heutigen Norditalien - auf einer Anhöhe bei Esten (Holzappel) ein eigenes Dorf . Es bestand aus zehn einstöckigen Häuschen und erhielt zu Ehren der Gründerin den Namen „Charlottenberg“. Zu den von der Fürstin gewährten „Privilegien“ gehörte auch die Übernahme der Kosten für einen eigenen Waldenser-Pfarrer und eines Lehrers für die französische Schule, den „Maitre d’école de l’église vaudoise de Holzappel et de la colonie Charlotteberg“. Unter den Nachfolgern Elisabeth Charlottes wurde die Waldenser-Pfarrei Charlottenberg im Jahre 1766 aufgelöst in die evangelische Kirchengemeinde Dörnberg eingegliedert.
200 Jahre nach der Dorfgründung, am 20.August 1899, setzten die Nachfahren der Waldenser der Schaumburger Fürstin ein würdiges Erinnerungsmal. (Eigener Beitrag: Das Waldenser-Denkmal in Charlottenberg)
Einen einstweiligen Höhepunkt ihrer über 1000-jährigen Geschichte erlebte die Esterau, als die Melander-Tochter als Fürstin von Nassau-Schaumburg ihren Mittelpunkt und Hauptort Esten mit der „Privilegia vom 13./23.Februar 1688 zur „Stadt Holzappel“ erhob. Mit der „gnädigst erteilten“ Stadt-Würde waren wesentliche Freiheiten – wie das Markt- und Zunftrecht sowie die Aufhebung der Leibeigenschaft der Einwohner - verbunden. Die Folge war ein deutlicher Anstieg der Bevölkerungszahl und eine beträchtliche wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung Holzappels.
Die erste Polizeiverordnung der Landesherrin für die junge Stadt vom 27. Mai 1691 zielte mit 24 Einzelvorschriften auf das friedliche Zusammenleben der Bürger, die Abwehr von Gefahren und feste Regeln für das Handwerk, das Gewerbe und den Handel ab.
Dazu heißt es in einem Vorwort:
Von Gottes Gnaden, Wir, Elisabeth Charlotte, Fürstin zu Nassau, Gräfin zu Katzenelnbogen, Vianden. Diez und Holzappel, Frau zu Beilstein, Laurenburg, Schaumburg und Lülsdorf pp.Wittib …tun hiermit Kund und Zuwissen allen Unseren Bürgern in Unserer Stadt Holzappel:
Nachdem Wir dieselbe schon mit verschiedenen Privilegien und Freiheiten begnadigt haben und mit sonderbarem gnädigen Gefallen wahrnehmen, dass selbige merklich anwachse und sich vermehre, sehen Wir Uns zu ihrem Besten und ihrer Wohlfahrt genötigt, diese Polizeiverordnung zu erteilen.
Nach dem Tod Elisabeth Charlottes im Jahre 1707 fiel das Nassau-Schaumburg an den Fürsten Lebrecht von Anhalt-Bernburg, der mit ihrer Tochter Elisabeth Charlotte d. J. vermählt war. Mit Lebrecht begann die 105–jähige Herrschaft der Fürsten von Anhalt-Bernburg-Schaumburg an der Lahn.