Goethe in Holzappel – 23.Juli1815
„Auf Holzappel. Bergkommissär Schreiber (richtig: Schneider). Gang nach der Schmelze. Mittag bei demselben. Freundliche Bewirtung. Verschieben der Gänge. Andres Geologisches. Durch die Lahn-Schluchten. Nassau. Theorie des Gang-Verwerfens.“
So schrieb Johann Wolfgang von Goethe am Abend des 23.Juli 1815 - kurz und bündig, und letztlich nur für Eingeweihte verständlich - in sein Tagebuch. Mit den wenigen Worten hat er festgehalten, was ihn anlässlich seiner zweiten Lahnreise speziell in Holzappel interessierte und beeindruckte: der Bergbau und das Phänomen der „Verschiebung der Erzgänge“.
Das Haus am unterer Marktplatz in Holzappel mit dem Bärenbrunnen, in dem der „Reisende“ die von ihm gerühmte „freundliche Bewirtung“ erfuhr, ist bis heute als historisches „Goethe-Haus“ - mit einer entsprechenden Informations- und Erinnerungstafel - erhalten geblieben:
„In diesem Hause war Goethe am 23.Juli 1815 beim Geheimen Hofrat Schneider und machte geologische Studien über die Verwerfung der Gänge. In seinem Tagebuch rühmte er die Gastlichkeit.“
Goethe, zu jener Zeit wohlbestallter Minister des Herzogs Karl August in Weimar, verbrachte im Sommer 1815 einen Kuraufenthalt in Wiesbaden. Als seine „Krankhaftigkeit gewichen“ war, unternahm er von dort Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung. Dabei beschäftigte er sich mit einem seiner liebsten „Steckenpferde“, der Mineralogie. Besonders interessierte ihn die hin und wieder auftretende Erscheinung, dass ein Erzgang plötzlich abbricht und sich an einer anderen Stelle fortsetzt. Wie er in seinem Tagebuch vermerkte, hatte er sich unter anderem mit einer Veröffentlichung über die „Theorie der Verschiebung älterer Gänge mit Anwendung auf den Bergbau“ des in Holzappel angestellten Bergmeisters Johann Christian Lebrecht Schmidt vertraut gemacht und dabei auch Interesse an dem dortigen Erzbergwerk (Blei, Silber, Zink, Kupfer) gewonnen. Unmittelbarer Anlass für die Reise an die Lahn war vermutlich eine Einladung des Freiherrn vom Stein nach Nassau. Goethe, der in Begleitung von Oberbergrat Cramer, Mitglied der Wiesbadener „Hofkammer in Bergsachen“, reiste, brach am 21.Juli 1815 von der Kurstadt aus auf und erreichte über Idstein, Ober- und Niederselters - nach einer Übernachtung in Blessenbach bei Aumenau - am Abend des 22.Juli die Stadt Limburg, wo er im „Roten Ochsen“ (ehemaliges Gasthaus schräg gegenüber der Post) einkehrte.
Am folgenden Tag, dem 23.Juli 1815, stand die Fahrt (mit der Pferdekutsche) von Limburg nach Nassau auf dem Plan. Sie führte den „Lahnreisenden“ über Diez und dort - entlang der alten Post- und Handelsstraße über die Höhen nach Holzappel. In der „Hauptstadt“ der ehemaligen Grafschaft Holzappel kehrte Goethe bei dem Direktor des Bergwerks, Bergkommissär Carl Ludwig Schneider in dessen Wohnung, dem heutigen „Goethe-Haus“, ein. Direktor Schneider, ein anerkannter Fachmann auf dem Gebiet des Bergbauwesens, begleitete den hohen Gast auf dem Weg zur „Schmelze“ (Schmelzhütte im heutigen Ortsteil Dörnberg-Hütte) und stand ihm anschließend für seine Fragen zur Verfügung.
Seinen Notizen in den „Tag- und Jahresheften“ zufolge haben ihn die erklärenden Ausführungen Schneiders überzeugt. In seinem Reisebericht an seinen Sohn August lobte Goethe die Kenntnisse seines Holzappeler Gastgebers so; „23.Juli. Über Diez nach Holzappel. Wichtiger Bau auf Blei und Silber. Sehr unterrichteter Bergkommissär; freundliche, belehrende Bewirtung. Modell des Verwerfens der Gänge. An der Lahn her. Beschwerliche, aber interessante Wege. In Nassau.“